Donnerstag, 22. März 2012

"Diese schweigende syrische Mehrheit ist der Auffassung, dass eine friedliche Einführung der Demokratie nur zusammen mit Assad möglich ist – ob das dem Westen gefällt oder nicht. Auch ich war darüber zuerst völlig erstaunt. Aber selbst syrische Oppositionspolitiker, die teilweise über zehn Jahre in den Kerkern des Vaters von Bashar al-Assad verbringen mussten, plädierten mir gegenüber vehement für diesen Weg."

"Wenn ich mich – wie die meisten Menschen – über Syrien ausschließlich mithilfe von Youtube-Filmen informieren müsste, würde auch ich sagen: „Dieser Diktator, der sein Volk tötet, muss gestürzt werden.“ Und ich würde mich möglicherweise wie im Falle des Volksaufstands gegen Gaddafi für Waffenlieferungen an die Rebellen aussprechen. Kurz: Ich verstehe jeden westlichen Bürger und Zuschauer, der sagt, Assad muss weg. Wenn die täglichen Berichte aus Syrien stimmen.
Aber viele der Youtube-Filme sind irreführend oder gefälscht. Nach der Münchhausen-Kampagne über die angeblichen Massenvernichtungswaffen des Irak erleben wir auch zu Syrien eine gigantische Desinformationskampagne. So wurde am 17. Mai 2011 im deutschen Fernsehen ein Filmbericht aus dem Irak als syrischer Gräuelfilm verkauft. Im Frühjahr wurde im australischen Fernsehen ein Film aus dem Libanon von 2008 als Syrienreportage ausgestrahlt. Der Lieferant, die Nachrichtenagentur Reuters, musste sich entschuldigen. 
In den viereinhalb Wochen, die ich im Juni und November in den Hochburgen der syrischen Revolution verbracht habe, musste ich feststellen, dass über die Hälfte der Medienberichte, die ich überprüfte, falsch waren. Zwei harmlose und zwei weniger harmlose Beispiele:
Im November wurde nach westlichen Medienberichten das Hauptquartier der Baath-Partei in Damaskus durch Granatbeschuss „mutiger Rebellen“ schwer beschädigt. Meine Überprüfung vor Ort ergab jedoch, dass eine „Lärmbombe“, die aus einem Auto auf das Gebäude geworfen worden war, zwei Glasscheiben zersplittert hatte. 
Wenig später meldete die Weltpresse, das syrische Regime habe alle iPhones verboten. Ein Syrer, den ich telefonisch nach dem Wahrheitsgehalt dieser Nachricht fragte, antwortete genervt, wenn die Meldung wahr wäre, müsste er nicht ständig törichte Anfragen auf seinem iPhone beantworten.
An einem Tag im November, an dem al-Dschasira aus Homs die Tötung von fünf Zivilisten meldete, war ich in der Rebellenhochburg. Nach Angaben des Zentralkrankenhauses, das ich sofort aufsuchte, und nach intensiven Recherchen meiner Freunde aus Homs stellte sich heraus, dass es an diesem Tag weder Tote noch Verletzte, ja nicht einmal Kämpfe gegeben hatte. Am folgenden Tag gab es auch keine Trauerfeiern. ..."

 Bitte weiter lesen auf: http://www.taz.de/Antwort-auf-Rafik-Schami/!89947/

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